Jeder will Rasen in seinem Garten haben. Die Idee, dass eine Rasenfläche in einen Garten gehört und ein Garten ohne Rasen irgendwie kein richtiger Garten sein kann, steckt so tief in uns drin, dass wir kaum auf die Idee kommen, es könne anders gehen. Aber die Gründe, die uns allen dafür im Kopf rumschwirren, sind größtenteils falsch, zumindest für kleine Gärten. Es gibt gute Gründe für Rasen im Garten, es sind nur vermutlich andere, als du bisher glaubst.

Ein Garten ist …

Ein Garten ist per Definition „ein abgegrenztes Stück Land, in dem Pflanzen oder Tiere gepflegt werden.“

Eine Rasenfläche wird nicht erwähnt. Ein Rasen hängt viel enger mit etwas ganz anderem zusammen. Mit einer Wiese oder noch genauer mit einer Weide. Mit dem Bild einer bestimmten Landschaft und einem Gefühl, dass dazu gehört: Dem Gefühl von Weite.

Wann kamen die Widersprüche Grenze und Weite zusammen?

Wann kam der Rasen in den Garten?

In Bauerngärten gibt es keine Rasenflächen. Bauern (und lange Zeit waren wirklich beinahe alle Menschen Bauern) hatten ihren Garten, um damit Nahrung zu produzieren. Reiche Bauern erlaubten sich ein paar Blumen zur Freude. Aber wer wirklich reich war und genug Geld hatte, um es zu verschwenden, tat das auch gern, um der Welt eben genau das zu zeigen. Auftritt Herrschaftliche Gärten.

In Renaissance Parks finden wir Rasenflächen, wenn auch noch eher in dienender Funktion, im Barock werden die Flächen schon größer und im englischen Landschaftspark haben wir dann das Bowling-Green und diese endlose Wiesenflächen, über die das Auge gefällig gleiten kann. Mit diesen Parks zeigte der Adel seine Macht durch die Beherrschung der Landschaft. Man demonstrierte mit weiten Blickachsen, wie groß der Besitz war und wie wenig man darauf angewiesen war, diese Flächen gewinnbringend zu nutzen. Im achtezehnten Jahrundert kam dann noch ein zunehmend romantisches Naturbild dazu, dass seinen Ausdruck im englischen Landschaftspark fand.

Zurück zur Natur.

Russeau
Blick über eine weitläufige Rasenfläche, umrahmt von Bäumen, auf ein halb verstecktes Häuschen. Im Vordergrund eine leere Picknickdecke
Blick über eine weitläufige Rasenfläche. Im Vordergrund eine leere Picknickdecke

Die Idee, inmitten einer natürlichen, arkadischen Wald- und Wiesenlandschaft zu leben, wurde zum Ideal. Der Rasen rückte direkt an das Haus heran.

Im Zuge der industriellen Revolution wird das Bürgertum zunehmend wohlhabender und selbstbewusster. Und was tun soziale Aufsteiger, die beweisen sollen, dass sie genauso viel Wert sind wie der alte Adel? Sie kopieren. Die Bürger im neunzehnten Jahrhundert wollten ihr eigenes arkadischen Schäferparadies. Ihre Gärten waren kleiner, aber immerhin hatten sie welche. In den Städten entstanden Parkanlagen, die für alle offen waren. Mit weiten Wiesenflächen, die lange Zeit nicht betreten werden durften. Die Rasenflächen waren zum Ansehen gedacht. Für das Gefühl von Weite. Der Rasen wurde zu einem Symbol. Und das ist er bis heute geblieben. Der Garten ist das eigene, geliebte und gehegte Stück Repräsentationsraum und der Rasen darin das zentrale Stück Nutzlosigkeit und die Erinnerung an den freien Blick.

Heute erzählt mir niemand, dass er mit seiner Rasenfläche den Bezirksleiter beeindrucken oder nachahmen möchte. Stattdessen sind die häufigsten Argumente:

Häufige Gründe für Rasen in kleinen Gärten

  1. Damit meine Kinder im Garten spielen können
  2. Rasen macht nicht viel Arbeit / erträgt meinen tiefschwarzen Daumen
  3. Rasen macht den Garten optisch größer
  4. Ich möchte Gänseblümchen zwischen den Zehen haben, wenn ich durch meinen Garten laufe

Alle diese Gründe kann ich nachvollziehen. Schauen wir sie uns in Ruhe an und behalten dabei den wichtigen Fakt im Hinterkopf: Es geht um einen kleinen Garten. Sagen wir, vierzig Quadratmeter.

Eine Rasenfläche von vierzig Quadratmeter Größe
Vierzig Quadratmeter Rasen

Jetzt fügen wir eine Terrasse hinzu. Sechzehn Quadratmeter ist ein häufig benutzter Standard. Vierzig Quadratmeter minus sechzehn Quadratmeter macht vierundzwanzig Quadratmeter für Rasen. Aber Moment. Da fehlt noch was. Hecken zum Beispiel

Ein vierzig Quadratmeter großer Garten mit sechzehn Quadratmeter Terrasse, Einfassung aus Hecken und der Restfläche als Rasen.
Vierzig Quadratmeter Garten mit Terrasse, Heckeneinfassung und Rasen.


Eine typische Heckeneinfriedung, so wie oben, braucht nochmal etwa elf Quadratmeter. Damit bleiben dreizehn Quadratmeter für Rasen. Dreizehn Quadratmeter ist ungefähr soviel wie ein Schlafzimmer. 

In diesem Garten fehlen ein paar Sachen. Zum Beispiel ein paar andere Pflanzen. Ein, zwei Beete mit Stauden oder Gemüse. Ein Sandkasten für die Kinder. Vielleicht ein Bäumchen, um die Hängematte aufzuhängen. Eine Gartenhütte für den Rasenmäher, den du ja brauchen wirst. Nur, für welchen Rasen eigentlich? Wieviel Platz bleibt da noch übrig? 

Schauen wir uns die Punkte von oben an:

Deine Kinder sollen im Garten spielen.

Sehr gut! Zum Thema Kinder im Garten kommt demnächst noch ein separater Artikel. Solange deine Kinder noch so klein ist, dass sie nicht richtig laufen können und ihnen die paar Quadratmeter zum erkunden ausreichen, solange stecken sie sich vermutlich auch noch Schnecken und womöglich den Kot der Nachbarskatze in den Mund. In diesem Alter gibt es bessere Untergründe für die Kleinen als Rasen. Aber diese Pahse dauert nur ein paar Jahre, und sobald die Kleinen richtig laufen können, wollen sie toben.  

Ein Reihenhausgarten mit Terrassen, Heckeneinfassung, Gartenschuppen, Sandkasten und blühenden Pflanzen. Für spielende Kinder ist da kaum noch Platz.
Terrasse, Pflanzen, Sandkasten, Gartenhaus, schon ist der Garten voll


Wie lang wird das Spaß machen? Wann fliegt der Ball zum dritten Mal zum Nachbarn? Oder in die Torte auf dem Terrassentisch? Die traurige Wahrheit ist, Rennen und Toben funktionieren in kleinen Gärten einfach nicht, egal ob mit Rasen oder ohne. 

Noch ein paar Jahre wollen deine Teenager überall sein, aber bitte nicht mehr zu Hause im Garten. Wie uncool.

Wegen der Kinder solltest du dir keinen Rasen anschaffen. Sie haben nichts davon.

2. Rasen ist anspruchslos

Rasen besteht aus Pflanzen, die haben Ansprüche, die müssen erfüllt werden. Sonst hast du eine freundliche Moos-Fläche (Was nichts schlechtes sein muss). Oder, und das wird sich wirklich kaum vermeiden lassen, wenn du deinen Rasen nicht nur zum Ankucken hast: Kahle Stellen. 

Du kennst das aus dem Park. Trampelpfade oder überlaufene Ecken. Der englische Rasen war nie dafür gedacht, ihn zu betreten, er sollte angeschaut werden. In den meisten modernen Gärten ist der Rasen aber eine Nutzfläche. Zum Spielen (s.o.) oder als Lückenfüller und Verbindung zwischen zwei anderen Orten. Du läufst von der Terrasse über den Rasen zu deinem Gartentürchen und wieder zurück. Zu den Beeten, die an den Rasen grenzen, um zu ernten, den Rosenduft zu genießen und dein Kind vom Fingerhut fortzuzerren. An all den Stellen, die du am häufig betrittst, kann deine Rasenfläche verkahlen. Du kannst das positiv sehen: Nach drei Jahren weißt du ganz von selbst, wo du deine Gartenwege anlegen solltest.

Sollen wir übers Rasenmähen sprechen?

Rasenmähen klingt nach Idylle pur. Viel mehr Eigenheim-Glück als Samstagvormittags den Rasen zu mähen geht kaum. Nur, willst du das? Klar, dreizehn Quadratmeter sind schnell gemäht. Auch nicht schlimmer, als das Haus durch zu saugen. Nur musst du auch die Kanten schneiden, das Spielzeug und den Grill aus dem Weg räumen, den Rasenmäher aus dem Gartenhäuschen zerren (es gibt keine aufgeräumten Gartenhäuser), das Mähgut entsorgen …

Hast du da wirklich Lust drauf? Okay, du kannst einen Rasenmäher-Roboter kaufen. Dann musst du nur noch die Kanten schneiden, die Fläche freiräumen, das Mähgut entsorgen, und dich mit Moos, Trockenheit, zuviel Dünger oder zuwenig Dünger beschäftigen. Rasenpflege ist eine Wissenschaft für sich.

Wenn du daran Spaß hast, oder dein Rasen dir das wert ist, mach es. Bitte. Wirklich. Aber zwing dich nicht dazu, es zu machen, bloß, weil man es halt so macht. Rasen ist nicht anspruchslos.

3. Rasen macht den Garten optisch größer

Das ist schlicht falsch. Wie ein kleiner Garten größer wirkt, habe ich hier schon mal angerissen, aber kurz zusammengefasst: Eine flache, leere Fläche lässt deinen Garten nicht größer wirken, als er ist. Sie zeigt im Gegenteil ganz genau, wie groß der Garten ist.

Hier noch mal zur Erinnerung. Wirkt dieser Garten groß?

Man sieht alles sofort und ganz genau. Dein Garten ist nicht groß. Ihn in seiner ganzen Kleinheit zu zeigen, macht ihn nicht größer. Falls dein Garten größer wirken soll, spannender, verführerischer, braucht er Geheimnisse, Verlockungen.  *räusper* Was ist erotischer: Ein ganz normale Frau splitterfasernackt oder eine ganz normale Frau in perfekt sitzender Lingerie, vielleicht noch mit einem Fächer, oder einem Schal, oder einem Schleier?

Wir machen nun eine kurze Pause zum Abkühlen, merken uns: eine übersichtliche Rasenfläche lässt deinen kleinen Garten nicht größer wirken, sondern langweiliger – und treffen uns danach hier wieder.

4. Ich möchte Gänseblümchen zwischen meinen Zehen spüren

Versteh ich. Sofort und uneingeschränkt. Wenn du davon träumst, zwischen den Halmen zu liegen und in den Himmel zu schauen, wenn du Gänseblümchenketten basteln möchtest und das Gefühl von Morgentau unter den Füßen liebst, und wenn du die Arbeit nicht scheust, dann, um Himmelswillen, leg dir eine Rasenfläche zu.

Ein Mensch liegt zwischen Gänseblümchen und Löwenzahn entspannt in einer Rasenfläche

Feiere deinen Rasen! Liebe ihn für das, was er ist, ein sinnliches Erlebnis, eine Erinnerung, ein Symbol.

Verlang nichts von ihm, was er dir in deinem Handtuchgarten nicht geben kann: Platz zum Rennen, Toben und Spielen oder das Gefühl von Weite. Zwing ihn nicht und zwing dich nicht. Setz ihn bewusst ein und lass ihn machen, was er kann.

Ich habe ein Pinterest-Board eingerichtet mit Beispielen für Gärten, die ganz ohne Rasen auskommen.

Und ein zweites Bord mit Beispielen, wie Rasen in kleinen Gärten funtkionieren kann. 

Und ein drittes Bord, wie es leider viel zu häufig gemacht wird.

„Aber, wenn kein Rasen? Was mache ich denn dann mit all meinem Platz? Wo sollen meine Kinder spielen? Wofür habe ich mir den Garten überhaupt angeschafft? Hilfe?!“

Genau darum geht es auf diesem Blog. Wenn du ihm folgst (dafür einfach das Formular da unten ausfüllen), erfährst du immer wieder neues, was du mit deinem Garten machen kannst und was du dabei beachten solltest. Ein guter Anfang ist zum Beispiel der Artikel zum allerersten Schritt.

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, hast du vielleicht Lust, mir einen schwarzen Tee auszugeben?

Oder hast du einen anderen Grund, warum du gerne Rasen in deinem Garten haben willst? Schreib ihn die Kommentare, ich freu mich drauf!

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