„Oh, ein Piratenschiff! Kuck mal, wie toll! Ein Pritatenschiff mit Rutsche und Steuerrad, das sich drehen lässt! Und man kann in den Ausguck klettern!“

Dass Piratenschiff ist echt super. Ein qualitativ hochwertiges Multifunktions-Spielgerät aus buntem Holz, liebevoll, mit Erfahrung und exaktem Fachwissen gestaltet und her- und aufgestellt mit zehn verschiedenen Spielstationen, Kletterwänden, Rutsche und steht in einer großzügigen Sandspielfläche. Es steht außerdem auf dem Spielplatz Hauptstraße / Erlenstraße in Mittelgroßekreisstadt, 0815 Plattes Land.

Das ist eine Fehlplanung. 

Man könnte auch sagen, ein klassischer Fehlkauf. Ist uns allen schon passiert. Wir sehen dieses Dings im Schaufenster, oder im Netz und finden es so großartig, dass wir es unbedingt haben müssen. Weil es wunderschön ist. Weil wir noch nie etwas so cleveres, überraschendes, Aufregendes gesehen haben. Aus ähnlichen Gründen kauft man vermutlich merkwürdige Hüte in Disneyland. Das ist völlig okay und zeigt nur, dass wir begeisterungsfähig sind, neues lieben, kurz, dass wir innerlich noch nicht tot sind. Ich liebe peinliche Hüte aus Disneyland.

Wenn der Ortsrat / Bürgermeister / Elterngemeinschaft, die Kataloge der Spielgeräte-Hersteller durchblättert, oder im Rahmen eines Wettbewerbs mit verschiedenen Entwürfen konfrontiert wird, setzt gerne mal dieser Effekt ein. Ein echtes Piratenschiff! Wie cool! Das will ich haben!

Nur kann man einen Spielplatz nicht hinten im Schrank verstauen, bis die nächste Kostümparty kommt.

Spielplätze, wie praktisch alles in der Landschaftsarchitektur / Gartengestaltung, sind Orte, die für eine langfristige Benutzung geplant werden. Zwanzig, dreißig Jahre sollte ein Spielplatz schon ohne neu Konzipierung überstehen, bei täglicher Nutzung.

Kommen wir zurück zum Spielplatz Hauptstraße / Erlenstraße.

Da steht jetzt ein Piratenschiff im Sandkasten.

Die ersten vier Tage sind die Kinder total begeistert und überhyped und spielen … Piraten! Was auch sonst. Weil, es ist ja ein Piratenschiff. Ganz eindeutig. Nach vier Tagen wird Pirat ein bisschen langweilig und nach zwei Wochen ist Pirat nur noch was für Baaaaabies! 

Das Piratenschiff ist immernoch ein Piratenschiff.

Von außen und für Menschen, die den Platz nicht so häufig besuchen, ist er immer noch ein echter Eyecatcher: Kuck mal, wie cool, ein Piratenspielplatz!

Den Kindern, die an der Hauptstraße und der Erlenstraße wohnen, ist das Piratendings längst egal. Sie stellen sich inzwischen vor, dass der Aussichtsturm auf einer Ritterburg steht, das der begehbare Schiffsbauch ein Höhlensystem zum Mittelpunkt der Erde, oder das Sonnendeck ein Pferdestall ist. Sie sind ein bisschen überrascht, wenn ihre Cousine*n von anderswo unbedingt zum Piratenschiff wollen. Ist doch auch nur ein Spielplatz?

Vielleicht spielen die Kinder auch schon längst viel lieber woanders. Bei Lasse im Garten, weil der soooo groß ist, oder in dem Strauchdickicht auf der Brachfläche bei dem Getränkemarkt.

Reden wir Klartext:

Ein Spielplatz mit einem konkreten Gestaltungsthema (Pirat, Prinzessin, Ritterburg, Elfenwald) macht überhaupt keinen Sinn an Orten, die immer wieder von den gleichen Kindern aufgesucht werden.

Kinder wollen, und brauchen, Abwechslung. Wenn du ihnen genau ein Thema vorgibst, mit dem sie sich jeden Tag beschäftigen sollen, werden sie sich langweilen.

Kinder können diese Themenvorgaben natürlich ignorieren. Es kostet kaum mehr Anstrengung aus einem Piratenschiff ein Prinzessinnenschloss zu machen, als es kostet, aus einem Kühlschrankkarton ein Raumschiff zu machen. Was dabei aber bleiben kann, ist das Gefühl, es nicht richtig zu machen. Nicht das zu machen, was die Erwachsenen von einem erwarten.

Ich denke, zumindest auf einem Spielplatz sollten Kinder vor den Erwartungen der Erwachsenen geschützt sein. Vielleicht vor Nichts so sehr und an keinem Ort so sehr wie hier. Spielplatz ist Kinderland. Wir sind nur Zaungäste.

Die Frage ist, warum müssen wir Erwachsenen dann erst ein Piratenschiff bauen, damit die Kinder eine Rakete daraus machen?

Ich denke, weil wir Erwachsenen den Kindern gern alles geben, was wir uns damals als Kinder vorgestellt haben, weil wir es nicht hatten, und dabei vergessen, wieviel Spaß das Vorstellen gemacht hat. Anstatt selbst das Bild zu malen, sollten wir den Kindern einfach de Stifte in die Hand drücken.

Es gibt aber noch einen Grund, der nur uns Erwachsene angeht und die Kinder so überhaupt nicht. Ich weiß, dass widerspricht sich vielleicht auf den ersten Blick. Allerdings, Kinder sind vielleicht die Herrscher auf dem Spielplatz, aber zumindest die kleinen sind dort nicht (mehr) allein. Mama oder Papa sind meistens mit dabei. Laufen den Knöpfen hinterher, klopfen sandige Hosen ab, oder – der beste Ort für Eltern auf dem Spielplatz – sitzen am Rand auf einer Bank.

Dort sitzen sie stundenlang. Ein Spielplatz ist auch ein Aufenthaltsort für Erwachsene. Wir haben durchaus auch Rechte. Meine Professorin Arian Röntz hat das damals in der Vorlesung zu Spielräumen in etwa so formuliert: „Wenn ich da jahrelang täglich Stunden verbringen muss, sollte dieser Raum auch mir etwas bieten.“ Abgesehen von der Freude, den eigenen Kindern zuzuschauen.

Möchtest du sechs Jahre lang jeden Nachmittag auf ein Piratenschiff starren?

Wenn wir Spielplätze entwickeln, die dauerhaft von den gleichen Kindern besucht werden, dann sind Punkte wie diese viel wichtiger, als ein cooler Eyecatcher:

  • Gibt es Möglichkeiten für unterschiedliche Arten von Spiel und unterschiedliche Temperamentslevel? Rückzug, Bühnen, Laufen, klettern und toben, ohne ständig etwas ausweichen zu müssen
  • Gibt es Möglichkeiten, sich selbst und seinen unterschiedlichen Grenzen zu erproben?
  • Gibt es Angebote für verschiedene Altersgruppen 
  • Sind die Angebote sinnvoll räumlich getrennt?
  • Bietet der Platz die Möglichkeit zur freien Assoziation?
  • Fühlen sich Kinder und Erwachsene in diesem Raum wohl?

Deshalb erschaffen möglichst neutrale, vielfältig nutzbare Einbauten und Geräte und ein abwechslungsreicher Umgang mit Topographie und Bepflanzung in den allermeisten Fällen viel bessere Spielplätze als ein themengebundener Gerätepark. Unter Umständen ist er sogar kostengünstiger.

Aber manchmal sind Themenspielplätze auch genau richtig

Wann denn?

  1. Wenn es keine Quartiersspielplätze sind. 
  2. Wenn sie daher eben nicht immer von den gleichen Kindern besucht werden, sondern von einem ständig wechselnden Publikum. 
  3. Wenn das Thema die Umgebung und die Erfahrungen aufgreift, die das Kind gerade gemacht hat.

Also, konkret?

Das Schiff im Freibad. Die Spielburg an der echten Burg. Das Baumhaus am Waldlehrpfad.

Diese Spielplätze sind etwas Besonderes, das Spielangebot neu und unverbraucht. Die Kinder erkunden diesen Ort nur zu besonderen Anlässen, wenn sie ziemlich sicher dieses Thema bespielen wollen. Ein Gewöhnungseffekt tritt nicht ein. Stattdessen sorgt der Themenspielplatz für gefühlsgeladene Erinnerungen, eben weil er etwas Besonderes bleibt. (Weihnachten wäre furchtbar, wäre es täglich)

Es ist unendlich verlockend, sich als Verantwortliche zu verhalten wie Kinder im Süßigkeitenladen und alles mitzunehmen, was man toll findet. Allerdings sind wir Erwachsene. Unser Job ist nicht, den Kindern den fertigen Traum vorzusetzen, sondern ihnen die Möglichkeiten zu geben, ihre eigenen Träume zu bauen.

(Und wir haben ein Recht auf einen Ort, den wir selbst erträglich finden)

Wo hast du denn als Kind am liebsten gespielt?

Und wie sähe dein idealer Spielplatz aus?

Lass uns in den Kommentaren plaudern.

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3 Kommentare

  1. Interessanter Ansatz! Als ich noch nicht zur Schule ging, wohnten wir neben einer Weide und gegenüber vom Reitstall. Hinter unserem Haus und neben dem Stall war Wald. Viel Wald, wenn man mit den Augen einer Zwei- bi Sechsjährigen schaut. Und da war auch ein Waldspielplatz. Mit recht einfachen Dingen, es gab nicht eines dieser typischen Klettergerüste. Eine Schaukel, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht eine Rutsche, da bin ich mir nicht sicher. Aber eines erinnere ich noch sehr gut: Den liegenden Baumstamm, der grob zu einem Krokodil zurechtgesägt war und auf dem man balancieren konnte. Der war toll.

    Bei meiner Oma gab es den kleinen, normalen Spaziergang um die Ecke, mit Rutsche, Schaukel, Schwebebalken, Sandkasten und Drehplatte. Der war okay. Und dann gab es den Abenteuerspielplatz mit Burg, Netz, Kletterturm etc. pp. Der war suuuuuuper! Aber da waren wir auch nicht so oft, weil der weiter weg war.

    Mein absoluter Lieblingsspielplatz war bei Planten un Blomen mitten in Hamburg. Da waren wir leider auch sehr selten, aber wenn, mussten meine Eltern auf mich warten. Oder sie ließen mich bei meiner anderen Oma, die dann mit mir dorthin ging.
    Der Platz hatte unglaubliche Möglichkeiten: Es gab Berge aus irgendeinem stabilen, bunten Kunststoff, in die man hineingehen und von denen man herunterrutschen konnte, eine Seilbahn, Wasserspiele und wirklich tolle Kletter- und Baugerüste mit Seilschlaufen, Netzen etc. bei den einen und verschiebbaren Holzbrettern bei den anderen, so dass man immer wieder neue „Räume“ bauen konnte.

    Und dann war da noch das Baumhaus im Freizeitheim, an dem wir bauen konnten, wie wir wollten. Das war auch cool.

    Piratenschiffe etc. mochte ich auch. Aber ja, ich war eines dieser Kinder, die sich an Vorgaben hielten und denen diese schnell langweilig wurden. Deshalb fand ich Barbie so doof, die sahen alle gleich aus und alle liebten Ken. Der auch immer gleich aussah. Aber Spielplätze, die keine oder wenig Vorgaben machten, fand ich immer schon toll!

  2. War das Krokodil toll, weil es ein Krokodil war, oder weil man darauf balancieren konnte?

    Und ja, genau das meine ich. Themenplätze und außergewöhnliche Geräte sind der Wahnsinn! Solange sie nicht täglich aufgesucht werden.

    Der Spielplatz von Planten und Blomen kommt, wie du ihn beschreibst, meinem ideal ziemlich nahe.


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