Eine der häufigsten Fragen, auf die ich immer wieder stoße ist: „Wie kann ich meinen Garten größer wirken lassen?“
Natürlich gibt es Tricks mit Perspektiven, Farben und optischen Täuschungen, aber wenn es um wirklich kleine Gärten geht, um fünfzig Quadratmeter an einem Reihenhaus, nutzen dir solche Spielereien auch nichts. Diese Gärten haben nicht genug Raum, damit diese Tricks ihre Wirkung entfalten können.
Wenn dein Weg fünf Meter lang ist, wird er nicht länger wirken, weil du ihn nach hinten verjüngend pflasterst. Er wird aussehen wie ein Weg, der immer schmaler wird.
Dass ist kein Grund, traurig zu werden, zu verzweifeln oder das Gehaltskonto zu verfluchen.
Ein großer Garten ist nicht automatisch ein schöner Garten.
Ein kleiner Garten ist nicht automatisch ein hässlicher Garten.
Es kommt aber noch besser:
Ein großer Garten ist nicht automatisch ein weiter Garten.
Weite und Größe sind nicht dasselbe. Ein bisschen dazu habe ich schon im Artikel im Artikel über Rasen geschrieben. Was du in einem kleinen Garten nie erreichen wirst, ist die Wirkung einer großen, freien Fläche, über die der Blick in die Ferne schweifen kann. Verlange von deinem Grundstück nichts, was es dir nicht geben kann.
In dem Versuch, ihre Gärten großzügig und weitläufig wirken zu lassen, entscheiden sich viele für einen möglichst leeren Garten: Eine ebene Rasenfläche, und an den Grenzen ein paar Sträucher und Stauden. Diese Anlage gibt dem Blick so viel Platz wie nur möglich, und muss daher den größtmöglichen Garten präsentieren.
Das ist mathematisch richtig, lässt aber völlig außen vor, wie Menschen ticken. In diesen Gärten hilft auch die Entscheidung nicht, ob der Beetsaum romantisch geschwungen mit Natursteineinzeiler oder modern eckig mit Stahlband ausgeführt wird. Das ist nur Tapete in einem leeren Raum.
Statt weitläufig, versuche es mit verführerisch
Ja, genau. Verführerisch. Ein Garten, der dich anlockt. Versprechungen hinter Ecken und in Winkeln.
Wenn du schon mal in berühmten Gärten oder Parkanlagen unterwegs warst, dann erinnerst du dich an verschiedene Gartenräume. Alle Anlagen sind so aufgebaut. Es gibt Bereiche, die bestimmten Themen gewidmet sind. Der weiße Garten in Sissinghurst ist nur ein Gartenraum einer Gesamtanlage mit mindestens zehn Räumen. Platz für einen einzelnen Gartenraum hast du auf jeden Fall. Vielleicht auch für zwei oder drei.
Wie macht das deinen Garten größer?
Stell dir vor, du sitzt im Wohnzimmer oder auf der Terrasse und schaust hinaus in deinen Garten.
Was dieser Blick braucht, ist die Möglichkeit einer Überraschung, von etwas Unbekannten, etwas, das genauer erkundet werden müsste, um zu erkennen, was es ist.
Kurz gesagt, der Blick darf nicht alles auf einmal erfassen.
Klassisch ist dieses nicht erfassbare ein weiterer Gartenraum, dessen Existenz von deinem Standort zwar erkennbar ist, aber du überblickst ihn nicht in seiner Gesamtheit. Vielleicht wird etwas angedeutet, was dort sein könnte. Zum Beispiel könnte ein Stück einer Gartenliege sichtbar sein, oder ein Hochbeet, die Krone eines Baumes, andere Farben. Aber du bekommst nicht alle deine Fragen beantwortet.
Bei einem guten Entwurf funktioniert diese Frage von vielen verschiedenen Punkten aus und in beide Richtungen. Wenn du in dem anderen Raum bist, wird der erste interessant, oder ein dritter, von dem du bisher vielleicht gar nichts gesehen hast, oder nur eine kleine Ahnung hattest. Oder vielleicht bist du auf dem Weg von Raum eins zu Raum zwei unvermutet in Raum drei gelandet, von dem du bisher gar nichts wusstest. (Viele große Parkanlagen und auch Labyrinthe funktionieren so. Man steht am Anfang, sieht ein verlockendes Ziel und macht sich auf den Weg dorthin. Auf diesem Weg entdeckt man dann andere Orte, von denen man zuvor nichts wusste. Der Bergpark Wilhelmshöhe ist mein Lieblingsbeispiel für diese Idee.
Aber dein Garten ist nicht Wilhelmshöhe, der hat 2,4 Quadratkilometer (das sind 2.400.000 Quadratmeter), dein Garten hat vielleicht 50m2.
Wie die Neugier in kleinen Gärten schüren
Wenn dein Garten groß genug für verschiedene Funktionsbereiche ist, dann trenne diese optisch voneinander, aber nicht vollkommen. Pflanze eine Hecke oder ein paar Sträucher, aber setze sie auf Lücken, die mit deinen häufigsten Sichtachsen in Beziehung stehen. Vom Naschgarten aus kannst du dann hinter den Himbeeren die Sitzecke erahnen. Denke dabei nicht nur in Kategorien von Sichtschutz. Eine optische Trennung kann alles sein. Ein Baum, ein Gartenhaus, ein Hügel. Nicht nur Mauern und Wände stoppen und lenken Sicht. (Ob Zäune Sicht lenken, hängt davon ab, wie sie aussehen. Maschendraht oder Stahlmatte hält gar nichts auf. Lattenzäune können sehr spannend sein)
Wenn dein Garten nicht groß genug für mehr als einen Raum ist, geh auf Raubzug in der Nachbarschaft. Baue Sichtbeziehungen zu schönen Flecken im Draußen auf. Inszeniere den Eingang zu deinem Garten, als ginge es dahinter noch weiter. Mehr zu diesem Thema gibt es auch im Grenzen Artikel.
Natürlich wird es dann vielleicht ein bisschen enttäuschend sein, wenn hinter der Gartenpforte nur der Bürgersteig wartet, aber das ist nicht das wichtigste. Das wichtigste ist die Erwartung, die Neugier, solange sie noch nicht gestillt ist.
Nicht jedes Rätsel muss gelöst werden
Es geht nicht um die Lösung, es geht um die Spannung. Denk an Horrorfilme, denk an „Alien“, oder wenn du wie ich von Horrorfilmen nicht schlafen kannst, denk an „Pakt der Wölfe“. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Die Atmosphäre, die Bilder, die Figuren, die große Frage: „Was ist der Wolf von Gevaudan?!“ das alles fesselt mich immer wieder. Es fesselt mich verlässlich bis zu dem Punkt, an dem herauskommt, was der Wolf von Gevaudon tatsächlich ist. Bis man das Biest in aller Deutlichkeit sieht und erklärt wird, was es ist, warum es da ist, wer es zu verantworten hat.
An dieser Stelle endet meine Begeisterung. Ich will gar nicht wissen, was es ist. Wenn die letzte Staffel von Game of Thrones nie passiert wäre, könnten wir alle immer noch an unsere eigenen Theorien zum Ende glauben.
Dein Garten muss deine Erwartungen nicht erfüllen. Er soll dich nur mit Erwartungen füllen.
So machst du deinen Garten größer. In dem du ihn deinem Kopf größer träumst.
Das ist ein subtiler Effekt. Du wirst nicht an jedem Morgen begeistert in den Garten sprinten, weil du herausfinden willst, was hinter der Hecke versteckt ist. Du weißt, dass hinter der Gartenpforte der Bürgersteig liegt und nicht Narnia. Es geht nicht um Wissen. Wir sind hier nicht im bewussten Denken unterwegs. Hier spielen wir mit Gefühlen, wir erzeugen ein leichtes Zupfen, dass du bewusst gar nicht wahrnimmst.
Es ist immer ein bisschen schwer zu glauben, dass etwas so vages tatsächlich funktionieren soll, und je genauer man nach dem Erfolg, dem Ergebnis, sucht, desto weniger findet man es. Diese Neugier ist etwas, dass man nur aus dem Augenwinkel wahrnimmt, das du am besten genießt, ohne zu wissen, was los ist. Du kannst also entweder deiner Landschaftsarchitektin vertrauen, oder du musst üben. Das geht, in dem du deine Wahrnehmung schulst.
Ich habe wieder Pinterest Bords angelehnt mit Orten, die zeigen, wie Neugier und Erwartung im Garten aussehen können. Und wie nicht.
Aber das sind nur Bilder. Geh raus, sieh dich um, fühle, rieche, höre. Bemerke Orte und überlege, warum sie sich anfühlen, wie sie sich anfühlen. Stell dir vor, du würdest etwas ändern, Die Mauer höher oder niedriger, heller oder dunkler, der Weg gerade anstatt geschwungen, was würde sich an der Atmosphäre ändern? Was würde deine Neugier steigern?
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